Die schlafenden Bäume
Bäume singen selten. In einem Wald werdet ihr wahrscheinlich noch nie einer Baummutter beim singen eines Wiegenliedes begegnet sein - sollte dennoch irgend jemand Zeuge eines solch höchst erstaunlichen Ereignisses geworden sein, so ist er hiermit aufgefordert uns davon zu berichten!
Doch gibt es eine alte Fabel, welche unter anderem auch Baummütter ihren Jungbäumen vor dem einschlafen erzählen und so ihr mangelndes Singvermögen ausgleichen. Die Geschichte dieser Fabel findet auf einem sehr weit entfernten Planeten statt, dessen Name "Uringor" ist. Ja nicht nur am Mars sondern auch auf Uringor entstand, warum auch immer, intelligentes Leben. Dieses manifestierte sich aber nicht als ein Haufen herum hüpfender Primaten, sondern als etwas das wir Baum nennen würden.
Ein Baum wie du und ich
Es schien als hätte jener Planet einen Narren an diesen Geschöpfen gefressen, welche begannen, mehr und mehr aus seinem Boden zu wachsen. Sie waren freundlich, hilfsbereit, und ziemlich sonnig. Also schenkte Uringor ihnen all seine Aufmerksamkeit, und sie dankten es ihm durch zahlreichen und kernigem Wuchs. So gut ging es ihnen, daß sie fast schon ein bißchen übermütig wurden, und sich zu fragen begannen, was das den eigentlich soll. Ich meine sie standen da zu Milliarden auf einem riesigem Planeten, und hatten absolut nichts zu tun, den ganzen Tag lang.
Als die Langeweile unerträglich zu werden drohte, beschloß ein junger aufstrebender Baum, daß es an der Zeit sei, die nicht gestikulierende Kommunikation zu erfinden. Bisher unterhielten sich Bäume auf Uringor mittels einer Art Morse Alphabet, sie ließen einfach große und kleine Blätter nach einem vorgegebenen Code fallen. Daß man sich so nicht sehr schnell austauschen kann ist klar, aber auch die Länge eines Gesprächs ist begrenzt, denn irgendwann gehen die Blätter aus. Im Winter herrschte ohnehin das große Schweigen, naja einen wirklichen Winter gibt es auf Uringor nicht.
Dieser junge und äußerst kluge Baum beschloß also nach neue Wegen des Gesprächs zu suchen, und entwickelte mit einigen Nachbarbäumen einen neuen und viel komplexeren Code. Dieser sollte nicht durch fallende Blätter sondern durch elektromagnetische Felder ausgetauscht werden. Diese Felder so fanden sie heraus umgaben sie aus irgendeinem Grund ohnehin ständig, und so brauchten sie nur noch zu lernen, diese nach bekannten Mustern zu modulieren. Auch mußten sie ihre Wahrnehmungsfähigkeit diesen Feldern gegenüber entscheidend verbessern, da sie sich sonst einfach nicht gehört hätten. Als sie diese Technik schließlich perfekt beherrschten, begannen sie auch die übrigen Bäume darin zu unterrichten. Bis es alle konnten dauerte es sehr lange, denn zum einen waren sie ja inzwischen unglaublich viele geworden, und zum anderen waren einige gar nicht bereit sich mit dieser neuen Form sozialen Lebens auseinanderzusetzen. Ja sie weigerten sich sogar das vorhanden sein jener Felder anzuerkennen, es gab also gar keinen Grund sich damit auseinanderzusetzen. Ihrer Auffassung nach war das alles reine Spekulation bar jeglicher Grundlage. Es brachen neue Zeiten an auf Uringor, das Volk der uringotischen Bäume war sich über eine Sache zum ersten mal in ihrer Geschichte völlig uneinig. Die einen standen da und unterhielten sich mit unglaublicher Bandbreite über Dinge, zu deren alleiniger Beschreibung die anderen die auch da standen, ein ganzes Jahr gebraucht hätten. Dennoch, trotz dieses durchaus großen Nachteils der alten Sprache, waren sie, die anderen, um nichts in der Welt dazu zu bringen dem Ruf der Zeit zu folgen. |
Das hatte natürlich Folgen, denn diese beiden "Lager" hatten sich bald nichts mehr zu sagen. Die einen berichteten über Ereignisse die sich innerhalb der letzten zehn Millisekunden abgespielt haben, während die anderen zur Formulierung eines einzigen Satzes schon gut und gerne zehn Minuten brauchten. Es ist klar daß sich die Thematik eines Gesprächs durch die Komplexität ihrer Sprache beeinflußt zeigt. Denn das Gespräch zweier "Sender" könnte sich etwa so anhören:
He Xafgadon Pasmatifu Mentaqin Palaga, Telmurin Digaronweni Sabtam hat so glaubt er eine Antwort auf die Frage: "Wenn sich im Raum nichts schneller als Licht ausbreiten kann, was soll dann das mit dem Elektronen Spinn ?" gefunden. Er steht am Fuße des Paptam Delgofahimpta Sapturintpasstafa Gebirges, an der Südspitze des Elbajahaamischen Subkontinents, und versucht durch Vermittlerkette gerade Kontakt mit mir aufzunehmen. - Vermittlerketten sind notwendig, da sich nur zwei Bäume die sich schon kennen ohne weiters, auch über weite Strecken hinweg, unterhalten können. Die Prozedur des "freien Einstimmens" dauert auf jeden Fall länger als der Versuch den Gesprächspartner über einen Bekannten eines Bekannten zu tunen, und somit ist er einen wert...
Die Gespräche derer, "die sich ständig nach Mustern entlauben", wie man sie inzwischen nennt, jedoch, hörten sich meist so an:
Guten morgen Ehlem B3, der Wind ist heute glücklicher weise nicht so stark wie gestern, du weist ja, ich hab's an der mittleren Diagonalwurzel.- Zur Übermittlung dieser Botschaft benötigte Athan L4 24 Minuten und 34 Sekunden.
Wie wir alle leicht sehen konnten dauerte es nicht mehr lange ehe sich die "Sender", und die "die sich ständig nach Mustern entlauben" absolut nichts mehr zu sagen hatten.
Ein neues Zeitalter
Die "die sich ständig nach Mustern entlauben" sind keinesfalls dumm. Uringotische Bäume werden durchschnittlich so um die 120 000 Jahre alt, das uringotische Klima ist praktisch auf allen Kontinenten auf sie eingestimmt und es existieren nur Kleinstlebewesen und Insekten - keines davon ein Baumschädling - auf dem Planeten. Also was soll's, sie stehen da und ein Gespräch kann sich über einen halben Tag erstrecken - (1 uringotischer Tag entspricht ca. 25.04 Erdentagen) ohne das einer von beiden wirklich Zeit verliert...und doch...das Bewußtsein der "Sender" begann sich im Verhältnis zu denen "die sich ständig nach Mustern entlauben" exponentiell zu entwickeln. Das wird einem vielleicht klarer wenn man sich vorstellt, daß zwei "Sender" in nur in nur 12 Tagen diese Menge an Information austauschen, die "die sich ständig nach Mustern entlauben" in ihrem ganzen Leben übermitteln können. Man stelle sich vor was ein Knirps mit grade einmal 1000 Jahren schon alles weis, und was erst wenn er mit 120 000 Jahren stirbt.
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Es dauerte nicht lange, etwa 40 000 Jahre, und die immer größer werdende Gemeinde der Sender begann sich auch physisch deutlich von ihren ... l a n g s a m ... sprechenden Mitbäumen zu unterscheiden. Sie wurden immer leichter. Es war erstaunlich, obwohl sich ihre Masse nicht änderte, schien sie der Planet immer weniger stark anzuziehen. Er wußte schon was die Bäume nur in ihren kühnsten Phantasien zu ahnen wagten... Bald schon wurden die "Sender" durch ihre eigenen Wurzeln so stark angehoben, daß sie gut zehn Meter größer wurden - manche von ihnen erreichten somit eine Höhe von über 122 Metern, und waren somit nach einer alten Überlieferung "Mantiag-Paunm", also so etwas wie "Heilige Erste". Niemand konnte genau sagen was "Heilige Erste" eigentlich sind, man wußte nicht einmal bei was sie die Ersten sein sollten. Aber sie hatten gar nicht die Zeit, lange darüber nach zudenken - der Geist der Evolution war, einmal geweckt, wild entschlossen das was er begann auch zu Ende zu bringen. Nachdem sich die Wurzeln soweit aufbäumten, daß sie sich fast ganz aus dem Boden hoben, begannen sie zu einer Halbkugel zusammen zuwachsen. Der aufmerksame Leser mag an dieser Stelle stutzen, denn folgende durchaus berechtigte Frage drängt sich auf. Wie kann ein über 122 Meter hoher Baum auf einer Halbkugel stehen ohne beim kleinsten Windstoß umzufallen? Konnten sie anfangs auch nicht besonders gut, zum Glück standen ihnen ihre (falls vorhanden) verwurzelten Nachbarn bei, und verhinderten so daß sie sich verletzten. Einige fielen auch um, doch abgesehen vom einen oder anderen Astbruch war das nicht weiter schlimm, denn sie sollten nicht lange liegen bleiben... |
Mantiag-Paumn ndik
...die Leiden der heiligen
Ersten, so die sinngemäße Übersetzung von "Matiag-Paumn ndik".
Der Stoffwechsel der Sender geriet völlig durcheinander, und einige von
Ihnen starben ab. Deren Zahl war aber im Vergleich zu jenen die diese
Transformation überlebten verschwindend klein. Parallel zu dieser Entwicklung, nahm auch ihr Gewicht mehr und mehr ab, und schließlich bot sich ein imposantes Bild. Die mächtigen Bäume schwebten mehrere Meter über dem Boden. Nun sollte es nicht mehr lange dauern und die erste Gruppe machte sich bereit ihrer Bestimmung zu folgen.
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Elem Mantiag-Paumn elam
Langsam stiegen sie auf und entfernten sich mehr und mehr von Uringor. Nach ein paar Tagen hatten sie eine Höhe von ca. 19000 Km erreicht und die Atmosphäre des Planeten völlig verlassen. Mehrere Tausend Bäume aus allen Kontinenten Uringors trieben mehr oder weniger hilflos durchs All. Doch sie waren nicht allein, denn sie konnten ja immer noch miteinander kommunizieren, mehr noch, sie kannten sich bereits alle aus endlosen Gesprächen auf der Oberfläche Uringors.
Alle fragten sich wohin sie ihre Reise führen sollte und vor allem wie sie Einfluß darauf nehmen könnten. Sie hatten ja keine Möglichkeit ihre Flugbahn zu beeinflussen, zumindest glaubten sie das. Doch plötzlich passierte etwas sehr seltsames.
Noch nie hatte ein uringotischer Baum das hohe Bewußtsein entwickelt, das es ihm gestatten würde zu allen anderen sendenden Bäumen gleichzeitig zu sprechen. Doch plötzlich hörten alle dieselbe Stimme, es war Qaszal.
Qaszal war allen bekannt, er war der erste Uringote, der es geschafft hatte seine Gedanken sozusagen aufzuschreiben - und er ritzte sie nicht in die Erde! Seit langem beschäftigte sich die wissenschaftliche Kaste der Uringoten mit den weiterreichenden Möglichkeiten der Feldbeinflussung, der sie auch ihre Sprache verdanken. Sie fanden heraus, daß sich diese Energie sehr stark verdichten lies, vor allem, wenn sie auf Kristalle gerichtet war. Qaszal gelang es schließlich als erstem, einen Gedanken soweit in einem Kristall zu verdichten, daß er dauerhaft gespeichert blieb. Es war eine unglaubliche Erfahrung für Uringor, als sie herausfanden, daß praktisch jeder der seine Konzentration auf diesen Kristall richtete, die Gedanken eines anderen hören und fühlen konnte.
Bald schon wurde fieberhaft nach Kristallen gesucht. Sie mußten die Kristalle nicht wirklich finden, es genügte schon ihre "Kennung" zu hören. Jedes dieser Kristalle sendete ein einzigartiges Muster, wieder und wieder. Wenn sich ein Uringote auf dieses Muster konzentrierte, konnte er die gesamte, in diesem Kristall gespeicherte Information abfragen.
Eyam Pee - Die Leere
Die Gotta Mahar, die alten überlieferten Mühten der Uringoten sprechen wie bereits erwähnt von den "heiligen Ersten". Die Legende besagt weiter, daß es einen Vermittler durch den das Universum selbst mit ihnen spricht, geben werde. Nun, das Universum als ganzes als ein Wesen zu betrachten, mag für uns eigenartig klingen. Die Uringoten sahen alle Dinge die sie umgaben wieder als Teil einer höheren Ordnung. Am Ende dieser Kette stand das Universum - Gott.
Es war also Qaszal, durch den diese höchste Hierarchie zu ihnen sprechen sollte. Kurz bevor Qaszal das erste Wort im Namen des Universums zu all seinen Brüdern sprach wurde es still. Kein einziger Gedanke wurde laut gedacht, alle versanken für einen Moment in einer unglaublich Weite, die sich im innersten ihrer selbst zu befinden schien. Dann hörten sie die Worte: "Ihr seid alle hier, das Experiment kann also beginnen. Das Licht, welches bis jetzt eins war mit dem Geist soll von ihm getrennt werden, es soll seine eigenen Wege gehen. Dunkelheit soll dort sein, wo das Band zerbricht , das nur durch Eyam Pee - "Die Leere" - wieder zu binden ist." Keiner verstand um was es geht. In den folgenden Wochen sollten sie alles verstehen, und darüber hinaus von Begebenheiten erfahren, die so unglaublich sind, daß sie an anderer Stelle im Detail ausgeführt sein mögen und werden... |
Doch zurück zu unseren uringotischen Freunden. Sie hatten von Dingen erfahren, die selbst ihre kühnsten Theoretiker für abartig unwahrscheinlich gehalten hätten. Und doch, nachdem sie das große Bild verstanden hatten, machte sogar das sonderbarste Detail Sinn. Sie wurden auch in den Lehren des "Ahn-A" unterwiesen. Das "Ahn-A" ist ein grundlegendes theoretisches Werk zum Aufbau des Alls. Diesen Theorien zufolge sind Materie, Licht oder absolutes Vakuum nur jeweils verschiedene "Aggregatzustände" eines diesen Naturerscheinungen zugrundeliegendem Phänomens dem "Ahn-Ah". Die Lehre des Ahn-A beginnt mit den Worten:
"Das Ahn-Ah ist in allem, denn es ist alles."
Die meisten Völker benötigen zumindest 10.000 Jahre um das Ahn-A zu begreifen. Den Uringoten gelang es binnen weniger Wochen, es sind aufmerksame und unvoreingenommene Zuhörer. Wie schon gesagt lehrt das Ahn-A den grundlegenden Aufbau von Materie und Raum. Hat man erst die komplexen Zusammenhänge erkannt, die zwischen diesen Begriffen bestehen so ist es ein leichtes deren Begleiterscheinungen wie zum Beispiel Gravitation zu kontrollieren - oder einfacher gesagt - die Uringoten konnten sich völlig frei im Raum bewegen. Sie fielen einfach in die Richtung in die sie wollten, dabei erreichten sie so unglaubliche Geschwindigkeiten, daß sie theoretisch an jeden Punkt der Galaxie hätten reisen können.
Das Unaussprechliche
Die Uringoten sind stammesgeschichtlich betrachtet Bäume. Für die Tatsache, daß sie jetzt ca. 19.000 Km über Uringor schwebten fand sich in den alten Schriften die Umschreibung elem Mantiag-Paumn elam - Die Erhebung der Heiligen Ersten. Jedoch gab es in keinem einzigen uringotischen Dialekt ein Wort für "Reise", zumindest nicht in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Ganz klar, ein normaler Baum reist nicht. Die Uringoten hatten sich zu etwas Neuem entwickelt, und verfügten nun über Fähigkeiten die weit über ihr bisheriges Dasein hinausgingen.
Und warum? Uringor ist ein besonderer Ort, er ist der Ursprung oder auch der Anführer einer Gruppe mächtiger Wesen, die diese Galaxie bevölkern. Es gibt mehrere Millionen von ihnen, und sie sind über die gesamte Galaxie verteilt.
Es sind Planeten! Richtig. Alles was geschah, geschah im Einverständniss Uringors. Und der Name Uringor sei hier nicht einfach als die willkürliche "Benamung" eines Himmel-Körpers zu verstehen, es ist vielmehr der Name eines Wesens dessen Körper im "Himmel" - im All schwebt. Eigentlich schwebt er auch nicht, sondern befindet sich in einem mächtigen Energiefeld mit dessen Schwingung er in Resonanz steht. Das Energiefeld wird von einem Himmels-Körper einer anderen Rasse erzeugt. Wir würden die Angehörigen dieser anderen Rasse einfach als Sonnen bezeichnen. Die elliptische Umlaufbahn des Planeten ist also das Ergebniss dieses von der Sonne erzeugten Schwingungsmusters mit dem sich Uringor in Resonanz befindet. |
Uringor stimmte der Transformation seiner Schützlinge also bewußt zu. Er hatte schon vor ihnen verstanden welchen eigentlichen Zweck das ganze Schauspiel haben sollte. Die uringotischen Bäume waren eine Art Botschafter durch die Uringor physischen Kontakt mit seinen Gefährten aufnahm.
Doch wozu das ganze? Abgesehen davon - Uringor kommunizierte, ähnlich wie die uringotischen Bäume, ohnehin ständig mit seinen Gefährten. All die Anstrengungen die gemacht wurden waren sozusagen der Einsatz, den man ins Spiel (das oben angedeutete Experiment) einbringen musste, und auserdem eine Art Test, denn die nächsten paar Millionen Jahre sollten ziemlich turbulent werden.
Das Spiel
CSE
(too be continued...)